Zum Tode von Dr. Edith Raim und Herrn Georg Drost
Liebe Mitglieder und Freunde des BWV Bayern,
in den letzten Monaten gingen zwei für unseren Verein sehr wichtigen Personen von uns. Wir betrauern den Tod eines Mitgliedes der ersten Stunde, Frau Dr. habil. Edith Raim, und wir haben die traurige Pflicht, uns von unserem langjährigen Freund und Förderer, Herrn Georg Drost, zu verabschieden.
Dr. Edith Raim, 1965 - 2025

Edith Raim, Tochter des Gründungsmitgliedes Dr. Ernst Raim und wichtige Förderin und wissenschaftliche Unterstützerin für unsere Vereinsarbeit, ist im Alter von knapp 60 Jahren durch eine schwere Krankheit aus unserer Mitte gerissen worden. Unser Vorstandsmitglied, Dr. Ekkehard Knobloch, hat ihren letzten Gang am 15. Juli im Rahmen einer sehr eindrucksvollen, von der Familie würdig gestalteten Abschiedsfeier begleiten können. Die Anteilnahme an der Beerdigung in der Aussegnungshalle auf dem Landsberger Waldfriedhof war überaus groß und belegte ihre persönliche Beliebtheit wie auch ihre Bedeutung für die geschichtliche Aufarbeitung der NS-Zeit in Bayern. In der Gedenkfeier wurden ihre wissenschaftlichen wie praktischen Verdienste um die Aufarbeitung der Naziverbrechen durch die deutsche Justiz in den unmittelbaren Nachkriegsjahren, um den Aufbau der Dokumentationszentren in den beiden Außenlagern Kaufering VII und Mühldorf des KZ Dachau, und um ihr besonderes Projekt der Erforschung der Geschichte Murnaus in den Jahren 1919 -1950 dargestellt. Im dortigen Schlossmuseum führte sie die Besucher auch selber durch die von ihr konzipierte und kuratierte Ausstellung.
Ediths letzte größere Publikation war über den bedeutenden Murnauer jüdischen Mäzen James Loeb. Wie Prof. Dr. Stefan Paulus vom Lehrstuhl der Uni Augsburg für Neuere und Neueste Geschichte in seiner Trauerrede ausführte, ist diese Arbeit für einen Preis der Gedenkstätte Yad Vashem vorgeschlagen.
Edith Raim hat in den letzten Jahren wesentlich zu den Aktivitäten unseres Vereines beigetragen, indem sie als wissenschaftliche Editorin die Übersetzung des Buches von Uri und Judith Chanoch „Von Kaunas über Dachau in ein neues Leben“ und die Herausgabe dieses Buches begleitet hat. In dieser bewegenden Geschichte eines Überlebenden in der Shoah und der Schilderung des Einsatzes des Protagonisten bei der Gründung und des Aufbaues des Staates Israel hat sie als Historikerin die notwendige Einordnung der Geschehnisse in der NS-Zeit in einem eigenen Beitrag aufgezeigt und somit dem Buch den Status eines auch zeitgeschichtlich gesicherten Dokumentes verschafft.

Dr. Edith Raim, Georg Drost und Dr. Ernst Raim auf der Gedenkfeier Dachau 2013
Georg Drost, 1933–2025
Uri Chanoch und Georg Drost: zwei Menschen aus ganz verschiedenen Welten, deren Begegnung nicht nur in einer persönlichen Freundschaft mündete, sondern sogar am Anfang eines Versöhnungswerks stand.
Auf Einladung des Gautinger Bürgermeisters Dr. Ekkehard Knobloch besuchte 1995 eine Gruppe jüdischer Überlebender des Außenlagers Kaufering des KZ Dachau unter Leitung von Uri Chanoch den Bunker Weingut II. Für den Bau dieses Bunkers, der nach der Planung der Nazis als unterirdische Flugzeugfabrik vorgesehen war, war das Bauunternehmen Leonhard Moll verpflichtet worden. Der Besuch des Bunkers war für die Überlebenden die schmerzliche Rückkehr an einen Ort der tagtäglichen Erniedrigung und unfasslichen Leids bei der Sklavenarbeit.

Im Jahr 2000 trat die Leonhard Moll AG als erstes deutsches Bauunternehmen der Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft „Erinnerung, Verantwortung, Zukunft“ bei. Im selben Jahr nahm Uri Chanoch Kontakt mit dem Unternehmen auf. Daraufhin entwickelte sich ein jahrelanger Briefwechsel zwischen Uri Chanoch und Georg Drost, der bis 1999 persönlich haftender Gesellschafter der Holding Moll KG gewesen war und der Firma auch noch in den Folgejahren beratend zur Seite stand. Zu einer ersten persönlichen Begegnung kam es 2006, als Georg Drost und seine Frau Eva das Ehepaar Uri und Judith Chanoch sowie einen Enkel des 1945 verstorbenen Firmengründers Leonhard Moll zu einem Abendessen zu sich nach Hause einluden. Viele weitere Begegnungen zwischen den Chanochs und den Drosts folgten.
Wer Georg Drost gekannt hat, dem sind als seine herausragenden Charaktereigenschaften, ein ausgeprägtes Verantwortungsbewusstsein und eine große Mitmenschlichkeit, aufgefallen. Sie ließen ihn als Repräsentanten der Firma Moll den Austausch mit den Überlebenden suchen – in Kauf nehmend, dabei auch auf Ablehnung zu stoßen. Doch sein Mut wurde belohnt. Viele Jahre lang nahm er regelmäßig an den Gedenk-Veranstaltungen teil und traf sich dabei mit den angereisten ehemaligen KZ-Häftlingen.
Auf Anregung von Uri Chanoch hin ermöglichte Georg Drost es, dass ab 2007 nicht nur osteuropäische, sondern auch israelische Studierende in den Genuss eines Stipendiums der Leonhard Moll-Stiftungen kamen. Diese Stiftungen waren 1995 an den beiden großen Münchner Universitäten mit dem Gedanken der Aussöhnung begründet worden und ermöglichen es ihren Stipendiaten, zwei Semester in München zu studieren.
Nachdem Judith Chanoch die Erinnerungen ihres Mannes 2018 in hebräischer Sprache veröffentlicht hatte und 2020 eine englische Übersetzung gefolgt war, trug Georg Drost tatkräftig dazu bei, dass das Buch auch in einer deutschen Ausgabe erscheinen konnte („Von Kaunas über Dachau in ein neues Leben. Erinnerungen eines Holocaust-Überlebenden“). Dazu begründete er einen Freundeskreis, der das anspruchsvolle Projekt nicht nur finanzierte, sondern auch in allen seinen Phasen begleitete.
Fünf Jahre zuvor schon initiierte und unterstützte uns Georg Drost bei der Herausgabe der deutschen Fassung des Buches „Crossing the River” von Shalom Eilati. Diese Autobiografie erschien unter dem deutschen Titel „Ans andere Ufer der Memel. Flucht aus dem Kownoer Ghetto“ und schilderte Eilatis Überleben während der NS-Besatzung Litauens. Im Frühjahr dieses Jahres ist Georg Drost im Alter von 92 Jahren im Kreis seiner Familie gestorben.
Edith Raim und Georg Drost haben sich um den BWV verdient gemacht. Wir werden ihnen ein ehrendes Andenken bewahren.
Für den BWV Bayern e.V.
Dr. Helmut Ritzer Dr. Ekkehard Knobloch Dr. Eva Hoegner Robert Hagen
- Erstellt am .



