Die VVN-BdA: ein trojanisches Pferd für das Engagement gegen Rechtextremismus

von Rudolf van Hüllen

 

“Das Verbot wäre ja erst der Anfang”, erwidert der freundliche Betreuer des Standes der “Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten” (VVN-BdA) auf dem Pressefest der DKP (19.-21. Juni in Dortmund). Der Besucher hatte zur Kampagne „nonpd“ der VVN-BdA kritisch angemerkt, dass man mit einfachen Organisationsverboten rechtsextremistisches Denken nicht aus den Köpfen heraus bekomme. Und der VVN-Mann hat auf gewissermaßen dialektische Weise Recht: Seine Organisation hatte immer weiter gehende Ziele als die Bekämpfung des Rechtsextremismus. Genauer gesagt: Sie definierte diese Ziele ganz unabhängig vom Rechtsextremismus. Als jahrzehntelang wichtigste Vorfeld- und Bündnisorganisation der KPD und später der DKP ging es ihr um die Einführung des „realen Sozialismus“ in der Bundesrepublik. Heinrich Potthoff hat in dieser Zeitschrift im September 1998 unter der Überschrift „Schein und Sein der VVN“ eindrucksvoll beschrieben, wie die von der SED mit jährlichen Millionenzuwendungen ausgestattete Organisation es auch nach 1989 nicht schaffte, vom stalinistisch geprägten Sozialismusmodell loszukommen. Sein Fazit: Für Menschen, die sich aus demokratischer Gesinnung gegen Gewaltherrschaft und extremistische Versuchungen stellen, ist sie kein Partner. Über ein Jahrzehnt ist vergangen. Wie stellt sich die Organisation, die nach wie vor ungerührt beansprucht, die größte antifaschistische Vereinigung in Deutschland zu sein, heute dar?

Schwindende Organisationskraft

Sie ist nur noch ein Schatten ihrer selbst, obwohl das Errichten großer Fassaden, „massenhafte“ Kampagnen, „beeindruckende“ Kongresse und insbesondere „breiter Bündnisse“ mit gutgläubigen Demokraten zu ihren Spezialitäten gehörte. Im Oktober 2002 hatte sie endlich eine Fusion der orthodox-kommunistischen Antifa-Verbände zustande gebracht. Die beiden ostdeutschen Partner mit dem SED-typisch knappen und prägnanten Namen „Interessenvereinigung ehemaliger Teilnehmer am antifaschistischen Widerstandskampf, Verfolgter des Naziregimes und Hinterbliebener“ (IVVdN, engagiert überwiegend bei der sozialen Betreuung von NS-Opfern in den neuen Bundesländern) und des „Bundes der Antifaschisten“ (BdA, zuständig für den „politischen“ Antifaschismus insbesondere in Zusammenarbeit mit seinen gewaltbereiten Teilen) bildeten mit der westdeutschen DKP-Vorfeldorganisation VVN-BdA den heutigen gleichnamigen Verband. Für 2003 gab der Verfassungsschutz die Mitgliederzahl im vereinten Deutschland mit „unter 9.000“ an, nicht anders als 2002 vor der Fusion. Für 2004 und 2005 findet man in den Verfassungsschutzberichten keine Angaben zur Mitgliederzahl mehr. Der Verband, Gerüchten zufolge mit einem Altersdurchschnitt (!) von 70 Jahren, schwand rapide. Sein heutiger Internet-Auftritt zeigt noch Landesvereinigungen in 13 Bundesländern sowie insgesamt 47 Untergliederungen auf regionaler Ebene, wobei die Schwerpunkte in Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Bayern liegen. Vor 1989 sah das in der alten Bundesrepublik anders aus: Die VVN-BdA hatte eine mindestens virtuelle flächendeckende Struktur, die bisweilen immerhin dadurch zustande kam, dass berentete oder verbrauchte DKP-Kader in die Vorstände der örtlichen VVN-Kreisvereinigungen versetzt wurden. Wer die Stärke der VVN-BdA heute schätzen möchte, ist wohl gut beraten, von bundesweit zwischen 1.000 und 2.000 Mitgliedern auszugehen. Und von denen dürften etliche in so fortgeschrittenem Alter sein, dass sie politisch nicht mehr aktiv sind.

Hat sich das Problem damit erledigt? Politisch wohl nicht, weil Kommunisten von jeher Meister im wirksamen Einsatz potemkinscher Dörfer sind. Tatsächlich schmückt sich die VVN-BdA seit 2004 auch noch mit dem Vorsitz der „Fédération Internationale des Résistants“ (F.I.R.), einer 1949 gegründeten sowjetischen Frontorganisation ehemaliger (kommunistischer) Widerstandskämpfer. „Front“ ist hier durchaus im Sinne des englischen Begriffes für „Fassade“ zu verstehen. „Generalsekretär“ des sklerotischen Verbandes, den man aber immerhin als angeblich demokratisch legitimierte NGO mit noblem Anliegen einsetzen kann, ist Dr. Ulrich Schneider, ein leitender Funktionär der VVN-BdA. Der Kasseler Historiker verfasste auch die Festschrift zum 40jährigen Bestehen der VVN 1997, in der er die DKP-Mitgliedschaften unter den zahlreich vorgestellten „verdienten Antifaschisten“ einfach „vergaß“.

 

Ungebrochenes traditionskommunistisches Selbstverständnis

Dass dieser eingeschrumpfte Kern sich demokratisch geläutert haben könnte, war an sich schon nicht zu erwarten. Das ergibt sich auch aus dem Doppelgesicht, das die alten kommunistischen Widerstandskämpfer der Organisation tragen. Sie wurden verfolgt und leisteten Widerstand gegen die Nationalsozialisten. Das verdient Anerkennung und Respekt. Aber dies umfasst nur 12 Jahre ihrer Biographie. Und nach 1945 hätte man nicht nur akzeptieren dürfen, wogegen sie stritten, sondern man musste auch kritisch fragen, wofür sie eintraten: Eben für die Einführung einer stalinistischen Variante des Sozialismus und für die Abschaffung von Demokratie, Freiheit und Menschenrechten (vgl. dazu auch: Hermann Weber: Der Antifaschismus-Mythos der SED, in: FREIHEIT UND RECHT, März 2005/1).  Das wiegt über die vielen Jahrzehnte schwer, wenn nicht schwerer als der Widerstand während des Dritten Reiches und das – bei der VVN-BdA durchaus nachrangige – Engagement gegen tatsächlichen Rechtsextremismus. Zur Ambivalenz der Biographien gehört auch, dass diese Opfer häufig selber als Täter tätig wurden. Sie billigten und rechtfertigten als Kommunisten die Einrichtung einer Diktatur und die Verfolgung von Demokraten in der DDR. Und zwei der bekanntesten Frankfurter VVN-Ikonen, Emil Carlebach und Peter Gingold, beteiligten sich als Mitglieder in Schiedskommissionen der DKP ganz unmittelbar an der Jagd auf „Abweichler“ in den eigenen Reihen, übertrugen stalinistische Repressionsmentalität schon mal in die Strukturen ihrer KPD und DKP. Und letztlich: Den jüngeren VVN-BdA-Mitgliedern kann man nicht einmal den Widerstand gegen den Nationalsozialismus entlastend anrechnen. Sie sind Mitglieder einer Organisation, die SED-Unrecht vollkommen ausblendet und sich konsequent gegen einen Vergleich von Diktaturen richtet. Was wiederum bedeutet, dass für diese Leute Menschenrechte nicht universell gültig sind.

Ein Blick auf die Arbeitsfelder der Organisation belegt das: Sie fordert in ihrem Internet-Auftritt die  „Bekämpfung neofaschistischer Strukturen wie beispielsweise der NPD und der sogenannten ‚Freien Kameradschaften’“, wobei man sich freilich über Methoden und Bündnispartner unterhalten müsste. Sodann geht es der VVN-BdA ausdrücklich um den Kampf gegen einen „rechten Rand“, der aus der „Mitte der Gesellschaft“ komme. Aufgezählt werden die Vertriebenenverbände, „staatlicher Rassismus“, Antisemitismus und „Militarismus“. Der Kampf gegen den Antisemitismus ist neu und bemerkenswert, hatte die VVN-BdA  doch vor 1989 auf SED-Linie Israel als imperialistischen Handlanger der USA und die Palästinenser und ihre Verbündeten einschließlich Hizbullah, Hamas & Co. als honorige „antifaschistische“ Widerstandskämpfer bezeichnet. Da scheint es immerhin Lernprozesse zu geben.

Dennoch: Die Weltsicht der VVN-BdA und ihre weitergehenden Ziele stammen aus alten Strickmustern: Demnach gibt es in westlichen Demokratien – unabhängig von ihrem tatsächlichen Bestand an Rechtsextremismus und der Frage, wer sie gerade regiert – stets eine „Rechtsentwicklung“, die zur „Faschisierung“ drängt. Treibende Kraft ist das Kapital mit seinem „Sozialabbau“. „Militarisierung“ dient der Vorbereitung von Kriegen, die nur im Interesse des Kapitals denkbar sind, insofern stets „imperialistischen“ Charakter tragen. Das Patentrezept gegen alle diese Übel ist ein irgendwie gearteter Sozialismus/Kommunismus, dessen historische Variante deswegen auch niemals als Diktatur kritisiert werden darf: „Ein Antifaschismus, der zugleich Antikommunismus ist, ist mit uns nicht zu haben“, tönte VVN-BdA-Bundesvorsitzender Heinrich Fink im Januar 2007 auf einer Kundgebung in Berlin ins Publikum.

 

Der Fall Heinrich Fink

Der 1935 geborene Fink, einer der beiden gleichberechtigten Vorsitzenden und 1998-2003 für die PDS im Bundestag, eignet sich gut als Indikator für die moralische Substanz seiner Organisation. Nach 1990 zunächst Rektor der Humboldt-Universität in Berlin, wurde er alsbald als IM „Heiner“ der HA XX des MfS enttarnt. 2005 kamen weitere Details seiner Aktivitäten für die Stasi an die Öffentlichkeit. Der Theologieprofessor hatte auch die Inhalte seelsorgerischer Gespräche mit seinen Studenten an die Staatssicherheit durchgestellt. Die VVN-BdA focht dies nicht an. Ungerührt ließ sie anlässlich ihres Bundeskongresses einige Wochen später erklären, sie sehe keinen Grund, an der Integrität ihres Vorsitzenden zu zweifeln.

Antifaschismus hin, Antifaschismus her – die behördliche Einschätzung eines solchen Vereins konnte nicht zweifelhaft sein. Deshalb fand die VVN-BdA von jeher in den Verfassungsschutzberichten des Bundes und etlicher Länder Berücksichtigung. Auch Bundesinnenminister Otto Schily, gelegentlich von einzelnen SPD-Mitgliedern, deren sich die VVN-BdA als demokratische Feigenblätter bediente, bedrängt, diese Einschätzung zu ändern, dachte nicht daran. Er wusste sehr wohl zwischen demokratischem Engagement gegen Rechtsextremismus und verlogenem kommunistischen „Antifaschismus“ zu unterscheiden.

Sein Nachfolger sah das offenbar anders, denn im Verfassungsschutzbericht des Bundes für 2006 und allen darauf folgenden sucht man die VVN-BdA vergebens. Ein solcher Kurswechsel geht nicht ohne Ministerentscheid. Die VVN-BdA dürfte über den ministeriellen Gnadenerweis denn doch erstaunt gewesen sein. Denn sie hatte sich aus dem Munde ihres Vorsitzenden IM „Heiner“ gerade 2006 intensiv für die weitere Erwähnung im Verfassungsschutzbericht qualifiziert. Der hatte der „jungen Welt“ (14./15.1.2006), dem heimlichen Zentralorgan aller mentalen Stalinisten, folgendes zu Protokoll gegeben: „Den Vorwurf, wir seien in welcher Art und Weise auch immer staatstragend, möchte ich deutlich zurückweisen. Das Gegenteil ist der Fall. Man darf nicht vergessen, dass das Gros unserer Mitglieder nicht aus Jugendlichen besteht und wir daher zwar viele Aktivitäten junger Antifaschisten solidarisch begleiten, uns aber nicht immer aktiv daran beteiligen können. Ich will aber sehr deutlich betonen, dass mir eine Reihe von Mitgliedern unseres Verbandes bekannt sind, die sehr intensiv mit jungen autonomen Antifaschisten zusammenarbeiten. (...) Den autonomen Antifaschisten kann ich deutlich versichern, auf ihrer Seite zu stehen und jederzeit zu einer Zusammenarbeit mit ihnen bereit zu sein.“

Da die VVN-BdA aber nicht mehr im Verfassungsschutzbericht des Bundes für 2006 auffindbar war, fanden ihre Anträge auf Gemeinnützigkeit anschließend günstige Aufnahme. Es ist keine ganz abseitige Polemik, wenn man feststellt, dass linksextremistisch motivierte Gewalt gegen Polizisten bei „antifaschistischen“ Demonstrationen auf dem Umweg über die VVN-BdA in diesem Land neuerdings auch aus Steuermitteln finanziert wird. Innenminister  Schäuble ist ein Stück weit mit dafür verantwortlich.

Symbiose von VVN-BdA, „Die Linke“, DKP und Autonomen

Die Kernelemente des VVN-BdA-Weltbildes Antiamerikanismus, Antikapitalismus, Instrumentalisierung des Nationalsozialismus zur Begründung für eine „antifaschistische“ Diktatur, auch die Relativierung bis Rechtfertigung der SED-Diktatur und ein gebrochenes Verhältnis zur universalen Geltung von Menschenrechten, alles das entspricht eher den programmatischen Grundparametern der „Linken“ als der inzwischen ziemlich unbedeutenden DKP. Leichten Anschluss findet die VVN-BdA vor allem an den traditionskommunistischen Flügel der „Linken“.

Nehmen wir Nordrhein-Westfalen als Beispiel. Dortmund, die zweitgrößte Stadt im Lande, hat mit einer DVU-Fraktion im Stadtrat, „Autonomen Nationalisten“ und der bekannten Altlast  der „Borussenfront“ von „SS-Siggi“ Siegfried Borchardt ein immerhin ernstzunehmendes Rechtsextremismus-Problem. Natürlich gibt es bürgerschaftliches Engagement dagegen. Aber das örtliche „Bündnis Dortmund gegen rechts“ wird inhaltlich von VVN-BdA, DKP und der „Linken“ bestimmt. Die „Linken“-Abgeordnete Ulla Jelpke, aus dem Hamburger „Kommunistischen Bund“ stammend und als harte Befürworterin von Bündnissen mit DKP und Autonomen bekannt, hat in Dortmund ihr Wahlkreisbüro. Kräfte aus diesem Spektrum sind weniger an einer Prävention gegen Rechtsextremismus denn an Eskalation interessiert. Deshalb sind solche Konstellationen denkbar schlechte Voraussetzungen für eine demokratisch fundierte Arbeit gegen Rechtsextremismus.

Ein zweiter Schwerpunkt des ansonsten in Nordrhein-Westfalen eher dünn gesäten Rechtsextremismus ist der niederländisch-belgische Grenzraum um Aachen. Konfrontationen zwischen neonazistischen Kameradschaften und Autonomen sind dort seit Jahren keineswegs selten. Und die Kreisvereinigung der VVN-BdA in Aachen lässt schon auf ihrer Internet-Homepage erkennen, dass sie eine Symbiose mit autonomen Gewalttätern eingegangen ist. Zum Teil in deren Diktion wird für typisch autonome Aktionsfelder geworben: „Wenn Rot-Grün Krieg führt, wenn der sozialdemokratische Innenminister sagt, das Boot sei voll, dann kritisieren wir das ebenso wie die Kampagnen eines Roland Koch gegen AusländerInnen oder die Verstrickung der konservativen Parteien in den Militarismus der BRD.“

Eine Organisation, die Zivilgesellschaft bekämpft statt sie gegen Rechtsextremismus zu mobilisieren, kann kein Bündnispartner für Demokraten sein. Glaubwürdige Arbeit gegen Rechtsextremismus sollte auf trojanische Pferde nicht hereinfallen.

Erschienen in: FREIHEIT UND RECHT 2009 / 3+4

Der Autor:

Dr. Rudolf van Hüllen ist Politikwissenschaftler und vorwiegend in der Präventionsarbeit gegen Rechts- und Linksextremismus tätig,

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